Gedanken zum Altarbild in St. Michael im Jahr 2004
Herr des Lebens – Herr der Zeit
Jesus Christus gab sich in den Tod,
um die gesamte Schöpfung zum Leben zu befreien.
Er nahm die Last der Welt auf seine Schulter
und trägt diese auch heute noch mit.
Er gab sein Blut (unten links der rote Strom des Lebens),
um uns zu erlösen und zu befreien.
Blut und Wasser fließen aus seiner Seite im lebendigen Strom, um die Fische
(das sind wir) mit den Sakramenten der Kirche zu ernähren.
In seiner Auferstehung liegt Kraft und Leben,
weil er alles Dunkle (linke Seite)
durch das Helle (rechte Seite) besiegt hat.
Wenn auch am Kreuz dargestellt,
so ist in ihm schon das auferstandene und verklärte Leben zu sehen (deswegen keine Wundmale sondern ein heller Leib).
Das Holz des Kreuzes wurde zum Baum des Lebens.
Er ist der eigentliche Herr über unsere Zeit und die gesamte Erdenzeit (Uhr über seinem Haupt).
Michael Eich, Pfr.
Predigt zum 50. Weihetag der Kirche St. Michael
„Wenn diese Steine reden könnten…“
Dann könnten sie uns heute erzählen, wie damals alles angefangen hat,
- Wie alles geplant und finanziert wurde
- Wie die vielen Ehrenamtlichen das Fundament ausgehoben und gelegt haben
- Wie die ersten Mauern in die Höhe wuchsen, mit Steinen, die von Ehrenamtlichen geschleppt und gemauert wurden
- Wie am 3. Dezember 1961 dieser Grundstein gelegt wurde
- Wie alles nach und nach Außen und Innen fertig wurde
- Wie lange die Kirche auf ihre Weihe warten musste, da unser Bischofsstuhl vakant war
- Wie sie dann schließlich am 4. September 1965 durch Bischof Hermann Volk geweiht wurde
- Wie froh die Katholiken hier waren, dass sie nicht mehr wie früher nach Astheim und dann nach Ginsheim gehen mussten.
Ja, wenn diese Steine reden könnten, dann würden sie uns erzählen,
- Wie viele Gottesdienste hier bisher gefeiert wurden
- Wie oft hier die Sakramente der Taufe, der Eucharistie, der Firmung, der Buße, der Ehe und der Krankensalbung gefeiert wurden
- Wie oft hier der Verstorbenen gedacht und wie oft hier geweint und getrauert wurde.
Die Steine könnten über die fünfzig Jahre vieles erzählen,
von Pfarrern und anderen Hauptamtlichen, die kamen und gingen,
von Gemeindemitgliedern, die noch dabei sind und jenen,
denen diese Kirche gleichgültig geworden ist,
von einer sonntags vollbesetzen Kirche und
der schleichenden Veränderung in den letzten 25 Jahren
und auch von Strukturen, die sich geändert haben.
Doch diese Steine schweigen, sie können weder hören noch sprechen, sie haben eine andere Bedeutung. Ihre Aufgabe ist es, diesen Bau zusammen zu halten und uns einen Ort der Versammlung, des Gebetes und des Hörens auf Gottes Wort zu ermöglichen, denn wir sind es erst, die dieses Haus mit Leben füllen können, wir sind als Gemeinde Jesu Christi die lebendigen Steine dieses Hauses, wie es auch im 1. Petrusbrief im Kapitel 2 heißt:
„Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen.“
Die Bestimmung dieser Kirche ist es, ein geistiger Ort zu sein, an dem sich alle, die zur Gemeinde gehören, versammeln, um Gottes Wort zu hören und davon dann in ihrem Leben in Worten und Taten zu sprechen.
Die Bestimmung dieser Kirche ist es, ein geheiligter Ort zu sein, an dem sich die Menschen durch verschiedenen Arten von Gebet und Gottesdienst neu stärken lassen können in ihrer Beziehung zu Gott.
Die Bestimmung dieser Kirche ist es, eine Quelle für die Seele zu sein, die regelmäßig aufgetankt werden möchte, bevor sie vertrocknet.
Die Bestimmung dieser Kirche ist es, offen zu sein für Menschen, die auf der Suche sind, der Suche nach einem tieferen Sinn in ihrem Leben, der Suche nach einer neuen Heimat, der Suche nach Gott.
Die Bestimmung dieser Kirche ist es, ein Ort zu sein, an dem Himmel und Erde sich berühren, denn wir Menschen brauchen den Himmel, auch und gerade in unserem alltäglichen Leben.
Unsere Kirche hier, wie auch unsere ev. Schwesterkirche hier im Ort und die gesamte Kirche überhaupt, ist doch der erste - und offene und freie - Raum, in dem das Evangelium gehört und gelebt werden kann.
Wenn ich in das Evangelium von heute schaue, können hier Menschen, die im übertragenen Sinn taub und stumm - oder zum Verstummen gebracht - wurden, eine Heimat finden. Hier dürfen sie über ihre Sprachlosigkeit reden und auf Menschen stoßen, die ihre Sprachlosigkeit teilen.
Dazu braucht es allerdings auch unsere Offenheit, unsere Bereitschaft, das „Effata“, das Jesus zu dem Taubstummen gesagt hat, selbst zu praktizieren.
„Effata“ – Öffne dich! Das sagt Jesus auch uns zu, höre hin auf das Wort Gottes und höre mit dem Wort Gottes im Herzen auf das gegenwärtige Leben.
Sei ein lebendiger Stein im Hause Gottes, d.h.
höre mit Gottes Ohren, sprich mit Gottes Worten,
sehe mit Gottes Augen, handle mit Gottes Händen,
gehe mit Gottes Füßen, liebe mit Gottes Herzen.
„Man brachte einen Taubstummen zu Jesus“, heißt es im Evangelium von heute. Wer dieses „Man“ ist, wird nicht näher beschrieben. Trotzdem und gerade erst recht hat dieses „Man“ eine wichtige Rolle, eine Rolle, die unser Christsein ausmacht, eine Rolle, die uns durch Taufe und Firmung ins Herz geschrieben wurde.
Wir haben oft die Gelegenheit, diesem „Man“ ein Gesicht zu geben:
Menschen, die einen Rat wissen, die mutig sind, Menschen, die sich nicht beirren lassen, Menschen mit einem offenen Herzen, Menschen auch mit klärenden Worten, Menschen mit Gottvertrauen!
In der gegenwärtigen und noch kommenden Zeit werden wir hier vor Ort, in unserer Stadt und in unserem Land als Christen mehr und mehr gefordert sein, lebendige Steine in Gottes Bau zu sein, wenn wir die
Sprachlosen, Traumatisierten, Suchenden, Hilflosen, die zu uns kommen an die Hand nehmen und ihnen mit einem menschlichen - und ich sage - auch einem göttlichen Herzen begegnen.
Lasst uns doch diese Menschen sein!
Diese Kirche als Gotteshaus heute zu feiern, ist das Eine.
Diese Kirche als Gotteshaus lebendig zu erhalten, ist das Andere.
Lasst uns lebendige Steine,
lasst uns einladende Christen sein, in Wort und Tat.
Amen
Im September 2015, Michael Eich, Pfarrer
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